Einigen Patienten wurde Minuten vor der Transplantation eine Studie vorgestellt, an der sie teilnehmen können, wenn sie wollen. Da man in den Minuten vor der TX aber wie in Trance liegt und sich ganz taub fühlt, hier noch mal zum nachlesen - oder vorab:

Interleukin-2-Blockade in der Lungen-TX
Eine klinische plazebo-kontrollierte Doppelblindstudie

Patienteninformation der MHH

Sehr geehrte Patientin, sehr geehrter Patient,

aufgrund Ihrer schweren Lungenerkrankung ist bei Ihnen eine Lungentransplantation geplant. Durch die Organkonservierung für den Transport vom Spender zum Empfänger ist die Lunge in der frühen Phase nach Transplantation sehr verletzlich. Bei etwa 20% der Fälle kommt es zu Wasser- und Bluteinlagerungen in der Lunge, dem sogenannten Reperfusionsödem *).

Dieses kann die Funktion der transplantierten Lunge ganz erheblich beeinflussen und zu lebensbedrohlichen Situationen führen. Zusätzlich zu der Schädigung der Transplantatlunge durch den Prozess der Transplantation an sich kommt es nach der Durchströmung der Spenderlunge mit Empfängerblut zu immunologischen Prozessen. Diese Prozesse, wenn sie nicht medikamentös unterdrückt werden, würden letztendlich die Abstoßung der transplantierten Lunge bewirken.

ZIEL DER KLINISCHEN PRÜFUNG

Die Entwicklung eines Reperfusionsödems als auch die immunologischen Vorgänge basieren auf sehr komplexen molekularen Mechanismen und Reaktionsketten, die durch eine Vielzahl von Eiweißen und Botenstoffen in der transplantierten Lunge reguliert werden. Einer dieser Stoffe ist das sogenannte Interleukin-2 (IL-2)-Substanzen **), die das IL-2 blockieren (sog. Inhibitoren) wurden inzwischen in zahlreichen experimentellen und klinischen Studien getestet. Eine dieser Substanzen, Daclizumab, ist in Deutschland unter dem Namen Zenapax® bereits für die Behandlung von nierentransplantierten Patienten zugelassen. Ob die Verabreichung eines solchen IL-2-Inhibitors auch in der klinischen Lungentransplantation das Ergebnis nach der Transplantation verbessern kann, soll im Rahmen dieser klinischen Studie überprüft werden.

ABLAUF

Um aussagefähige Daten zu erhalten, werden zwei Gruppen von je 30 Patienten miteinander verglichen. Die eine Gruppe erhält zusätzlich zu der immunsuppressiven Standardtherapie das Medikament Daclizumab, die andere Gruppe erhält stattdessen zusätzlich zur Standardtherapie ein Scheinmedikament ohne Wirkstoff (ein sogenanntes Plazebo).

Welche dieser Therapien Sie erhalten, wird durch ein Zufallsverfahren entschieden. Während der Studie wissen weder Sie noch Ihr Arzt, welches der beiden Medikamente Sie bekommen. Sollte es medizinisch notwendig sein, kann der Prüfarzt jedoch durch das Öffnen eines versiegelten Umschlags jederzeit die Art Ihrer Behandlung in Erfahrung bringen und geeignete Maßnahmen ergreifen.

Sie erhalten das Medikament bzw. das Plazebo als Infusion für 15 Minuten insgesamt fünf mal: kurz vor Beginn der Transplantation bei Einleitung der Narkose und jeweils am Tag 8, 22, 36 und 50 nach der Transplantation.

Um die Wirksamkeit und Verträglichkeit des Medikamentes zu prüfen, wird Ihnen zu verschiedenen Zeitpunkten vor und nach der Transplantation und zu den routinemäßigen Nachsorgeterminen Blut abgenommen. Anhand dieser Blutproben werden die Funktion der Lunge und das Vorliegen von Infektionen sowie Ihr allgemeiner Gesundheitszustand überwacht.

NUTZEN UND RISIKEN

Relevante Nebenwirkungen, die über die bekannten Nebenwirkungen von immunsuppressiven Medikamenten hinausgehen, sind aus dem bisherigen klinischen Einsatz des Medikamentes nicht bekannt.

Ob Sie durch die Teilnahme an der Studie einen persönlichen Nutzen haben, ist nicht garantiert, da es möglich ist, dass Sie der Behandlungsgruppe mit dem Scheinmedikament zugeordnet werden. Möglicherweise profitieren Sie aber auch von der neuen Therapie.
Durch Ihre Teilnahme tragen Sie in jedem Fall zur Gewinnung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und damit möglicherweise zur Verbesserung der Therapie für lungentransplantierte Patienten bei.

ALTERNATIVE BEHANDLUNGSMETHODEN

Die nach Lungentransplantation übliche Standardtherapie erhalten Sie in jedem Fall, so dass Ihnen diesbezüglich keine Nachteile entstehen.

FREIWILLIGKEIT DER TEILNAHME

Die Teilnahme an der Studie ist freiwillig. Sie können die Teilnahme ablehnen oder jederzeit während der Studie Ihr Einverständnis ohne Angabe von Gründen zurückziehen, ohne dass Ihnen dadurch Nachteile in der Behandlung oder der Beziehung zu Ihrem Arzt entstehen.
Ihr Arzt hat die Möglichkeit, Ihre Teilnahme an der Studie jederzeit ohne Ihr vorheriges Einverständnis zu beenden, wenn dies medizinisch notwendig sein sollte. Ihr Arzt wird Sie im Verlauf der Studie über neue Erkenntnisse informieren, die Ihre Sicherheit oder Ihre Bereitschaft zur weiteren Teilnahme beeinflussen könnten.

Voraussetzung zur Teilnahme ist, dass Sie Ihr Einverständnis schriftlich auf der beigefügten Einverständniserklärung erklären. Bitte lesen Sie diese Informationen aufmerksam durch und stellen Sie alle Fragen, die Sie zu der Studie haben, Ihrem Prüfarzt.

VERSICHERUNG

Als Teilnehmer an dieser Studie besteht für Sie der gesetzlich vorgeschriebene Versicherungsschutz (Personenschadenversicherung nach dem Arzneimittelgesetz, maximale Deckungssumme 500.000,- Euro pro Patient), der alle Schäden abdeckt, die an Ihrem Leben oder Ihrer Gesundheit durch die an Ihnen durchgeführten Maßnahmen der klinischen Prüfung verursacht werden können.

Die Versicherung wurde für Sie bei der Gerling- Allgemeine Versicherungs-AG, Postfach 101264, 68012 Mannheim (Tel. (0621) 4202-576) unter der Policenummer 70-5553435 abgeschlossen. Falls eine Gesundheitsschädigung eintritt, die im Zusammenhang mit der klinischen Studie stehen könnte, so setzen Sie bitte Ihren Prüfarzt und die oben genannte Versicherungsgesellschaft unverzüglich darüber in Kenntnis.
Um den Versicherungsschutz nicht zu gefährden, sollten Sie sich während der Studie einer anderen medizinischen Behandlung - ausgenommen sind Notfälle - nur nach Rücksprache mit Ihrem Prüfarzt unterziehen.

VERWENDUNG IHRER DATEN

Die im Rahmen dieser Studie erhobenen Daten werden zum Zweck der wissenschaftlichen Auswertung aufgezeichnet und anonymisiert (d. h. ohne Namensnennung) weiterverarbeitet. Nur die mit der Klinischen Prüfung vom Prüfarzt oder vom Sponsor beauftragten Personen sowie autorisierte Personen der Gesundheits- und Zulassungsbehörden haben im Rahmen der entsprechenden gesetzlichen Vorschriften Zugang zu Ihren persönlichen Daten. Diese Personen unterliegen der Schweigepflicht und sind zur Beachtung des Datenschutzes verpflichtet. Im Falle der Veröffentlichung der Studienergebnisse bleibt die Vertraulichkeit Ihrer persönlichen Daten ebenfalls gewährleistet. Die Beachtung des Bundesdatenschutzgesetzes ist in vollem Umfang sichergestellt.

KONTAKTPERSON

Sollten Sie Fragen zu der Studie haben, wenden Sie sich bitte an die zuständigen Prüfärzte:

Dr. med. Stefan Fischer, Tel. (0173) 60 72 111
PD Dr. med. Martin Strüber, Tel. (0511) 532-6588

*) Von einem Reperfusionsödem spricht man dann, wenn der Blutstrom nach länger dauernder Abschnürung der Aorta oder großer Gliedmaßengefäße wieder freigegeben wird und sich Blut und Gewebeflüssigkeit einlagert. Es kann zu Lungen-, Nieren-, Leberschäden, Multiorganversagen und Schock führen.

**) IL-2 (lymphocyte mitogenic factor) ist eine körpereigene Substanz, genauer genommen ein Eiweiß mit dem Namen MG 15 400 D. Diese Substanz wird von aktivierten T-Zellen (Freßzellen) freigesetzt. Durch diesen Stoff wächst die Zahl der T-Zellen stark an und reizt die Produktion ähnlicher Stoffe, die dann ihrerseits wieder die Immunabwehr ankurbeln und so das transplantierte Organ angreifen. IL-2-Blocker verhindern, dass IL-2 gebildet wird und die T-Zellen (Freßzellen) nicht zunehmen.

Vergleichbar ist das IL-2 am besten mit dem Botenstoff, den bedrohte Bienen abgeben: Wenn eine Biene einen Botenstoff "Feind-Angriff" ausschüttet, dann reagieren alle anderen Bienen und beginnen gemeinsam gegen den Eindringling vorzugehen.

letzte Änderung: 09.10.2008